Der Umbau des Energiesystems erfordert Milliardeninvestitionen. Doch die Teuerung hat das Vertrauen in die Branche erschüttert. Präzise Botschaften und vorausschauende Kommunikation sind jetzt entscheidend, sagen FORESIGHT-Gründer Christoph Hofinger und Senior Consultant Florian Oberhuber.

Wie steht es um die Akzeptanz der Energiewende?
Florian Oberhuber: Grundsätzlich zeigen unsere Studien, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung weiterhin dahintersteht. Zugleich wird es für konkrete Projekte schwieriger: Die Zeiten sind vorbei, wo Anrainer:innen den Energieunternehmen ihr Vorschussvertrauen gegeben haben. 

Warum ist das so?
Christoph Hofinger: Nach Corona war die Gesellschaft erschöpft – und dann ist mit der Teuerung gleich die nächste Krise hereingebrochen. Wir messen in unseren Studien seit vielen Jahren die emotionale Befindlichkeit der Bevölkerung: Das Ausmaß des Ärgers, das wir 2022/23 in den Daten hatten, war beispiellos.

F.O.: Die Energiepreise sind wieder gesunken, aber das Vertrauen erholt sich nur langsam. Viele Menschen tun sich schwer, die guten Ergebnisse der Branche einzuordnen. Und im massenmedialen Diskurs hat sich ein negatives Framing festgesetzt, also der Eindruck, die großen Konzerne stünden nicht auf der Seite der Bevölkerung. 

Wie können die Unternehmen damit umgehen?
C.H.: Grundsätzlich wird es in einer erschöpften und verärgerten Gesellschaft schwieriger, sich zu bewegen. Der Soziologie Steffen Mau spricht von Triggerpunkten und Veränderungsresistenz. Das heißt, es steigen die Anforderungen an Kommunikation.

F.O.: Wobei Zahlen, Daten, Fakten allein mitunter nicht ausreichen, um Akzeptanz für Projekte zu schaffen. Ohne Vertrauen geht es nicht. Und Vertrauen ist Beziehungssache, da spielen „weiche“ Faktoren eine zentrale Rolle. 

Aber bei Energieinfrastruktur geht es immer um technische Lösungen.
F.O.: Die technische Kompetenz ist eine der Säulen von Vertrauen, aber es gibt viele weitere. Zugehörigkeit, soziale Nähe ist eine davon: Kommuniziert ein Projektwerber „von oben herab“ oder kann er Gemeinsamkeiten und Augenhöhe herstellen?

C.H.: Am effektivsten ist jene Kommunikation, die von vorneherein Ablehnung und auch die zunehmenden Fake News nicht die Debatte framen lässt. Dazu braucht es ein präzises Verständnis der Ausgangslage: Was bewegt die Menschen vor Ort, wer sind die lokalen Autoritäten bei einem Thema? Es beginnt schon bei den Projektnamen. Viel zu oft werden sie dem Zufall überlassen, dabei bestimmen sie den „ersten Eindruck“ wesentlich mit.

Kann der Umbau des Energiesystems überhaupt gelingen, wenn Projekte immer schwieriger umzusetzen sind?
C. H.: Die positive Seite der Medaille ist, dass die Energiebranche über große Lösungskompetenz verfügt. Und gerade in unsicheren Zeiten sehnen sich die Menschen nach Handlungsfähigkeit. Nach Institutionen, die konkrete Zukunftspläne haben und die Fähigkeit, sie umzusetzen.

F. O.: Die Frage bringt uns zum Ausgangspunkt zurück: Es ist ja immer noch so, dass eine breite Mehrheit den Umbau des Energiesystems befürwortet: sauberer Strom, Ausbau der Erneuerbaren und damit mehr Energie-Unabhängigkeit, das sind attraktive Ziele.

C. H.: Insofern hat die Energiebranche ein großes Potenzial. Wenn es gelingt, den gemeinsamen Weg in die Energiezukunft gut zu kommunizieren, dann gibt sie der Gesellschaft Orientierung in einer zentralen Zukunftsfrage. Und das trägt wiederum dazu bei, erschüttertes Vertrauen neu aufzubauen.

Bildquelle: Tim Foster auf unsplash